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Enrichment in Coronazeiten: Interview mit Svenja Melbye

Beratungsstelle besondere Begabungen, Hamburg

Datum

05/2020

 

Online-Enrichment: ein außerschulisches Angebot für besonders begabte Kinder und Jugendliche

Interview mit Svenja Melbye - Mitarbeiterin an der Beratungsstelle besondere Begabungen (BbB) in Hamburg

li.hamburg.de/bbb

Die Einschränkungen rund um die Corona-Pandemie dauern nun schon mehrere Wochen an. Viele Einrichtungen des Bildungswesens haben mittlerweile erkannt, dass Corona sie nicht nur vor kurzfristige Herausforderungen stellt, sondern auch mittel- bis langfristig Einfluss auf das Lernen und die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen nehmen wird.

Unter der Rubrik „Wir bleiben im Gespräch!“ fragen wir bei unseren Partnern nach, welche Folgen Corona für ihre Arbeit hat und wie sie dazu beitragen, die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen. Heute berichtet uns Svenja Melbye von der Beratungsstelle besondere Begabungen in Hamburg.

Das Interview führte Christine Koop, Ressortleitung Beratung der Karg-Stiftung, am 18. Mai 2020.

 

Frau Melbye, die Beratungsstelle besondere Begabungen hat für die Zeit des eingeschränkten Schulbetriebs ein digitales Enrichment-Angebot für besonders begabte Kinder und Jugendliche entwickelt. Wie sieht das aus? Und wie können Schülerinnen und Schüler davon profitieren?

In unserer Beratungsstelle gibt es ein Enrichment-Team. Das sind Kolleginnen und Kollegen, die selbst als Lehrkräfte in der Begabtenförderung tätig sind und außerdem für die Beratungsstelle Kurse für begabte Schülerinnen und Schüler entwickeln. Dieses Enrichment–Team hat in kurzer Zeit ein neues Programm entwickelt: das  Online-Enrichment. In den digitalen Kursen können sich die Schülerinnen und Schüler zu spannenden Themen vertiefen, z.B. zur Speziellen Relativitätstheorie oder unter Anleitung selbst einen Trickfilm drehen. Es gibt aber auch Angebote, die direkt auf die schulische Situation rund um Corona reagieren. So bieten wir beispielsweise einen Kurs an, der Schülerinnen und Schüler bei der Arbeit an eigenen Forschungsprojekten coacht und sie damit im selbstgesteuerten Lernen unterstützt, oder einen Kurs, der zur kreativen Auseinandersetzung mit Verbindung in Zeiten des Abstands anregt.

Wird das Angebot gut angenommen?

Und wie! Wir waren überrascht und überwältigt davon, wie viele Schülerinnen und Schüler sich in kürzester Zeit für einen digitalen Kurs angemeldet haben und ihre persönlich hohe Motivation geschildert haben. Das bestärkt uns in dem Eindruck aus der Beratung, dass es in Corona-Zeiten etliche (hoch)begabte Schülerinnen und Schüler gibt, die nach Herausforderung suchen! Wir sind gespannt, welche Erfahrungen wir mit diesen neuen Online-Formaten machen werden und was dann vielleicht aus dieser Zeit auch dauerhaft Eingang in unsere Enrichment-Angebote finden wird.

Welche Auswirkungen hatte denn Corona sonst auf Ihre Beratungsstellenarbeit?

Vom 16.3.2020 an war die Beratungsstelle besondere Begabungen für den Publikumsverkehr und damit auch für Beratungsgespräche gesperrt. Auch unser geplantes Fortbildungsangebot mussten wir einstellen und so schnell wie möglich Alternativen finden.

Alle Kolleginnen und Kollegen sind seit Mitte März im Homeoffice tätig und wir haben uns auf einmal nur noch in Videokonferenzen gesehen. Die Beratungen haben wir telefonisch fortgesetzt, an unseren Beratungs- und Fortbildungskonzepten gefeilt und ganz neue Ideen entwickelt. Dabei entdecken wir sowohl die Vorteile der digitalen Medien als auch deren Grenzen. Mir persönlich haben die Möglichkeiten der persönlichen Beratung oftmals gefehlt, denn in der Beratung passiert ja auch vieles zwischen den Zeilen, z.B. durch nonverbale Kommunikation. Letzte Woche haben wir nun parallel zu den beschlossenen Lockerungen damit begonnen, unter Auflagen wieder persönliche Beratungen anzubieten. Ein Abstand von 1,50 Metern in einer Beratung ist ganz schön weit!

Sie sagten, dass Sie auch während der Schließung der Beratungsstelle weiterhin Beratung für begabte und hochbegabte Schülerinnen und Schüler angeboten haben. Zu welchen Themen wurde denn Rat gesucht?

In der Elternberatung war oftmals das Thema „Wie schaffen wir es als Familie gut durch diese Zeit und was braucht jeder und jede Einzelne dafür?“. Gemeinsam haben wir dann Ideen entwickelt, was hilfreich sein könnte, um das Lernen zuhause erfolgreich zu meistern. Mein Eindruck ist, dass die Erfahrungen (und damit auch die Lösungen) sehr unterschiedlich sind: Manche Familien sehen in dieser Zeit eine große Chance und begabte Kinder „starten durch“ und genießen es, in ihrem eigenen Tempo zu arbeiten. Andere Familien erleben aber auch hohe Belastungen: beide Eltern sind im Homeoffice, die Betreuung mehrerer Kinder, eigene Ängste oder Sorgen um Angehörige und dann noch Aufgaben, die von den Kindern als langweilig erlebt werden. Die Vermischung der Rollen und die Mehrfachbelastung hat viele Eltern in Konflikte gebracht.

Manche (hoch)begabte Kinder verlieren zum Beispiel an den „Pflichtaufgaben“ die Motivation und beginnen dann mit den Eltern stundenlang zu diskutieren, bis sie gemeinsam vor einem Berg an Aufgaben stehen. In solchen Fällen haben wir gemeinsam überlegt, was helfen könnte. Das kann sehr unterschiedlich sein und meistens wissen die Eltern und Schülerinnen und Schüler selbst schon ganz viel zu der Frage „Wann klappt es denn am besten?“. Daraus ließen sich oft kleine „Motivationsinseln“ für den Alltag entwickeln. Je nach Alter, Begabung und Interesse kann es zum Beispiel helfen, den Wochenplan durch feste Lesepausen, Forscherzeiten und Experimente, Bewegung oder Spielezeiten zu ergänzen oder in Rücksprache mit den Lehrkräften wiederholende Aufgaben zu straffen und dafür regelmäßig Knobeleien anzubieten.

So hat sich zum Beispiel ein Erstklässler entschieden, in der Corona-Zeit ein Projekt zum Thema Rom zu erarbeiten und vielleicht traut er sich sogar, das Plakat später einmal in der Klasse zu präsentieren! Insofern bietet die Corona-Zeit auch Raum für neue Erfahrungen und die Chance, sich der Stärken und (Lern-) Bedürfnisse von einzelnen Kindern bewusster zu werden. Mit manchen Familien haben wir deshalb ein Ritual entwickelt: Einmal in der Woche darüber sprechen, was sie stolz gemacht oder gefreut hat.

 

ZUR PERSON & INSTITUTION:


Svenja Melbye ist Psychologin (M.Sc.) und Systemische Beraterin (SG), Klikk®-Elterntrainerin (Arnold & Preckel) und seit 2013 Mitarbeiterin an der Beratungsstelle besondere Begabungen in Hamburg.

Die Beratungsstelle besondere Begabungen (BbB) ist eine Einrichtung der Behörde für Schule und Berufsbildung in Hamburg und gehört zum Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung. Sie berät und unterstützt Schulen, Lehrkräfte, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler bei Fragen der Erkennung und Förderung von besonders begabten und hochbegabten Schülerinnen und Schülern. Die BbB ist langjährige Projektpartnerin der Karg-Stiftung:


Beratungsstelle besondere Begabungen (BbB)
Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI)
Moorkamp 3
20357 Hamburg
www.li.hamburg.de/bbb

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